Sonntag, 11. Dezember 2016

Lernhemmung Nummer 1: Stress

Stress macht gefühlloser. Zumindest, was den Tastsinn angeht. Womöglich kommen dann auch Blinde schneller ins "Stottern". Generell gilt: Stress senkt die Lernleistung, das Erinnerungsvermögen und die kognitive Leistungsfähigkeit.

Cortisol, das primäre Glukokortikoid (GC) beim Menschen, beeinflusst die neuronale Erregbarkeit und Plastizität durch Einwirkung auf Mineralocorticoid- und Glucocorticoidrezeptoren. Zelluläre Studien zeigten, dass erhöhte GC-Spiegel die neuronale Plastizität beeinflussen, beispielsweise durch eine Reduktion der hippocampalen Langzeitpotenzierung (LTP). Auf der Verhaltensebene haben zahlreiche Studien nach der Behandlung mit GCs von einer eingeschränkten Hippocampus-Funktion berichtet, wie z. B. beeinträchtigtes Erinnerungsvermögen.

Im Gegensatz dazu ist relativ wenig über die Auswirkungen von GCs auf die kortikale Plastizität und das perzeptives, also durch (Sinnes-)Wahrnehmung stattfindendes Lernen bekannt.

Dies untersuchte jetzt eine aktuelle Studie der Uni Bochum. Dazu nutzten die Forscher einen trainingsunabhängigen Lernansatz, bei dem durch Anwendung der passiven repetitiven sensorischen Stimulation (rss), deren zeitlicher Verlauf durch zelluläre LTP-Studien bestimmt wurde, dauerhafte Veränderungen der menschlichen Wahrnehmung induziert werden konnten.

In ihrer placebokontrollierten Doppelblindstudie verwendeten sie eine taktile, den Tastsinn ansprechende Stimulation, um Verbesserungen der taktilen Schärfe zu induzieren. Dabei wird erlernt, die Reizung zweier nahe beieinanderliegender Hautstellen zu unterscheiden.

Ergebnis: Eine einmalige Verabreichung von Hydrocortison (30 mg) blockierte die rss-induzierten Veränderungen bei dieser Zwei-Punkt-Diskriminierung vollständig. Im Gegensatz dazu zeigte die Placebo-Gruppe die erwartete rss-induzierte Zunahme der Zweipunkt-Diskriminierung von über 14%.

Die Daten zeigen, dass hohe GC-Spiegel das rss-induzierte perzeptive Lernen hemmen. Naheliegend ist, dass es auch hier die Unterdrückung des LTP ist, das die beobachteten perzeptiven Lernstörungen erklären kann.

Hier geht es zur Originalveröffentlichung

 

Foto: Ralph Aichinger / pixelio.de

 

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