Mittwoch, 27. September 2017

Aufschieberitis – Verständnis besser als Verteufelung

Zur Überwindung der weit verbreiteten Aufschieberitis hat sich die Verteufelung dieses Verhaltens und der eiserne Wille diese zu bekämpfen als wenig hilfreich erwiesen. Verständnis für das Aufschieben scheint die deutlich bessere Basis zu sein, um von ihr aus durch Motivation dieses Aufschieben wenigstens zu begrenzen.

 

Prof. Dr. Stefan Fries
Prokrastination wird oft als Versagen der Selbstregulierung angesehen. Forscher aus Bielefeld wollten jetzt demgegenüber eine Perspektive anbieten, die den Fokus von den durch den Willen bestimmten Aspekten zu den durch Motivation beeinflussten Aspekten des Aufschiebens verschiebt. In einem Versuch, das Phänomen des Aufschiebens zu entmystifizieren, kombinierten die Forscher zwei Studien, die die Motivationsgrundlagen des Zauderns mit einer Studie untersuchten, die darauf abzielte, ihre "impliziten normativen Konnotationen" aufzudecken, mit anderen Worten herauszufinden, welche maßgeblichen und verpflichtenden Nebenbedeutungen in diesen stecken.

Studie 1 untersuchte die Verknüpfung zwischen Wertorientierung und Prokrastination (Saumseligkeit; welch hübsches Wort) auf einer allgemeinen Ebene und konnte zeigen, dass Menschen mit hohem Aufschiebe-Potential eine allgemein niedrige Leistungbereitschaft haben und dem Wohlbefinden hohe Werte zuordnen.

Studie 2 untersuchte die Verbindung zwischen Selbstbestimmung und dem Aufschieben Aktivitäten über den Tag hinweg. Eine niedrige Selbstbestimmung stand dabei im direkten Zusammenhang mit einem geringen Grad an Vollendung von Aktivitäten und dem Aufschieben im Allgemeinen.

Schließlich untersuchte Studie 3 die Verbindung zwischen den Wertvorstellungen und der politischen Orientierung auf der einen Seite und die persönliche Wahrnehmung und Einordnung des Aufschiebens auf der anderen. Einzelpersonen, die moderne, konservative Werte begünstigten, waren eher dazu geneigt, sich akademisches Aufschieben als persönliches Versagen zuzuschreiben, während Individuen, die postmoderne, liberale Werte billigten, dem akademischen Aufschieben eher situationsbedingte Ursachen zuschrieben.

Vor diesem Hintergrund befürworten die Bielefelder Forscher eine weniger normative Sicht auf das Phänomen der Prokrastination und empfehlen eine durch (zusätzliche) Motivation bestimmte Intervention (z.B. durch eine entsprechende Zielauswahl) anstelle einer vom (eisernen) Willen inspirierte Intervention (z.B. durch Zielimplementierung), um eine Aufschieberitis zu verhindern.

Hier geht es zur Originalveröffentlichung

 

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